Er regelt, was bei uns aus der Steckdose kommt. Oder genauer gesagt, dass überhaupt etwas aus unseren Steckdosen kommt. Die Rede ist vom Strommarkt. Rund um die Uhr entstehen hier Preise, regulieren Angebot und Nachfrage den Handel und werden Schwankungen im Netz ausgeglichen. So war es zumindest bisher. Denn mit der Energiewende, die sich in vollem Gange befindet, und dem Zuwachs erneuerbarer Energiekonzepte, betreten neue Akteure den Strommarkt. Und das bleibt nicht ohne Folgen.
Wie der Strommarkt funktioniert und was sich 2023 sowie in den kommenden Jahren am Strommarkt ändern wird, erfahren Sie in diesem Artikel.
Wie funktioniert der Strommarkt?
Dass die Verbraucher in Deutschland nahezu überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit Strom beziehen können, ist hierzulande ganz normal. Verantwortlich für diese Versorgungssicherheit ist der Strommarkt. Er sorgt dafür, dass jeder Verbraucher jederzeit auf Knopf- bzw. Schalterdruck Strom beziehen kann.
Der Strommarkt funktioniert wie eine Art virtueller Marktplatz, der individuell nach Angebot und Nachfrage mit dem verfügbaren Strom handelt. Handelsware ist dabei sämtliche Energie, die entweder in On- und Off-Shore-Anlangen, in Biogasanlagen oder in Kraftwerken produziert wird. So sind alle Energiemengen auf dem Strommarkt erfasst, von wo aus sie schon vor ihrer Nutzung an Unternehmen weiterverkauft werden, die die Energie dann entweder selber verbrauchen oder sie an Kunden weiterleiten.
Was einfach klingt, ist in der Realität ein komplexes Konstrukt aus einer Vielzahl unterschiedlichster Akteure und Marktrollen mit ebenso unterschiedlichen Aufgaben. In ihrer Gesamtheit sorgen sie dafür, dass der Strommarkt jeden Tag reibungslos funktioniert und immer eine Versorgungssicherheit besteht.
Der Strommarkt im Wandel der Zeit
Spätestens am 15. April 2023 sollen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland endgültig abgeschaltet sein. So hat es Umweltministerin Steffi Lemke zuletzt bestätigt. Bis 2030 soll zudem der Ausstieg aus der Energieerzeugung mit Braun- und Steinkohle vollzogen sein. Damit steht der Strommarkt vor großen Veränderungen, die sich definitiv auf den Handel mit Strom, aber auch auf die Versorgungssicherheit auswirken werden.
Dafür, dass jederzeit genügend Strom vorhanden ist, muss immer genau so viel Strom entnommen werden, wie auch eingespeist wird. Nur dann lässt sich ein reibungsloser Stromtransport realisieren. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Abweichungen und Schwankungen im Stromnetz generell suboptimal sind, gefährden sie doch die Balance des Strommarktes. Durch den Wegfall von Atom- und Kohlekraft, die in der Regel eine stabile Energieerzeugung gewährleisten, bringen jetzt andere Energiequellen neue Dynamiken auf den Strommarkt: die erneuerbaren Energiekonzepte.
Gut 46 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland kamen 2022 aus erneuerbaren Energiequellen wie Solar- und Windkraft oder Biomasseenergie. Biomasseenergie lieferte 2022 50,2 Mrd. kWh von insgesamt 482,9 TWh verbrauchtem Strom. Damit gehört sie zwar zu den verlässlichsten und versorgungssichersten alternativen Energieerzeugern, macht bisher jedoch einen eher geringen Anteil an der gesamtdeutschen Stromerzeugung aus. Ganz vorn liegen Solar- und Windenergie – die eine entscheidende Herausforderung mit sich bringen: ihre Wetter- und Witterungsabhängigkeit. Das kann die Schwankungen im Stromnetz ungünstig beeinflussen, was wiederum die Stromproduktion schwerer planbar macht.
Der Ausbau erneuerbarer Energie für einen neuen Strommarkt
Bedingt durch die Volatilität der bisherigen Spitzenreiter unter den erneuerbaren Energieerzeugern, ist der Bedarf an weiteren Alternativen groß. Und so will die Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien in Zukunft noch mehr vorantreiben. Das beinhaltet neben Sonnen- und Windkraft auch vielversprechende Konzepte, die Strom und Wärme aus Biomasse, Biogas und mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) herstellen. Auch die Sektorenkopplung durch Power-to-X ist eine der Optionen zur zukünftigen Sicherung der Stromversorgung, lässt sich mit diesem Konzept doch die überschüssig produzierte Wind- und Sonnenenergie speichern. Das würde dem Strommarkt einiges an Stabilität geben.
Gleichzeitig erfordern diese Veränderungen jedoch auch ein neues Design des Strommarkts. Denn volatile Energiekonzepte bedeutet eine volatile Stromversorgung – und auf diese muss ein moderner, neuer Strommarkt reagieren können.
Um also auch in Zukunft Versorgungssicherheit und langfristig die Klimaneutralität erreichen zu können, plant die Bundesregierung (zwangsläufig) eine Neugestaltung des Strommarkts. Aktuell geht es dabei um generelle Fragen dazu, wie eine Versorgungssicherheit der Zukunft aussehen kann, was die Forschungs- und Entwicklungsziele sind und welche Instrumente die Umgestaltung des Strommarktes braucht. Es geht um die Frage nach der Vergütung einer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie um die Vor- und Nachteile der denkbaren Vergütungsmöglichkeiten. Und es geht um Gesetzesnovellen, wie beispielsweise das EEG 2023. Auch mögliche Kannibalisierungseffekte sowie die Frage nach der Umsetzbarkeit eines neuen Strommarktdesigns spielen eine Rolle. Kurz gesagt: Geplant ist viel, entschieden noch nichts.
Reformen, Neuerungen und Überlegungen – so könnte der Strommarkt der Zukunft aussehen
Eine großangelegte Studie der Denkfabrik Agora Energiewende zur Frage, wie der deutsche Stromsektor bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden kann, hat herausgefunden, dass erneuerbare Energien bereits im Jahr 2030 gut 80 % des gesamtdeutschen Stromverbrauchs decken könnten. Außerdem besagt die Studie, dass ein sicherer Stromnetzbetrieb, der sich komplett aus erneuerbaren Energien speist, ein breiteres Technologieportfolio erfordert, um die Schwankungen und Netzengpässe auf dem Strommarkt beherrschen zu können.
Doch das wiederum erfordert einige konkrete Maßnahmen, wie die Experten der Denkfabrik sagen. Dazu gehören unter anderem schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, die zügige Ausarbeitung eines integrierten Systementwicklungsplans sowie verlässliche Investitionsbedingungen und ein Maßnahmenpaket, das die Systemsicherheit bei einer Stromversorgung aus 100% erneuerbaren Quellen sichert. Und auch ein schnellerer Rollout flexibler Smart-Meter-Systeme, eine Reform der Netzentgelte sowie ein intelligenter Verteilnetzbetrieb spielen eine tragende Rolle. Denn nur so lässt sich ein zuverlässiger Strommarkt erreichen.
KWK-Anlagen auf dem Strommarkt der Zukunft
Ein weiteres wichtiges Thema für den Strommarkt der Zukunft sind Residuallast und Dunkelflaute. Denn je mehr Energie aus Wind und Sonnen kommt, desto schwankender ist die Energiebereitstellung – was wiederum starke Auswirkungen auf die Residuallast hat. Stabilisierend können hier KWK-Anlagen wirken. Denn sie können die durch die volatilen erneuerbaren Energien Wind und Sonne entstehende Residuallast durch die Möglichkeit zur flexiblen Fahrweise optimal sichern. Das zeigt auch: Ohne Alternativen zu den alternativen Energiekonzepten wird der Strommarkt auf lange Sicht nicht auskommen.