Etwa 600 Terrawattstunden Strom verbrauchen die Deutschen pro Jahr. Kurz zum Vergleich: Eine Terrawattstunde entspricht einer Million Kilowattstunden. Anders gesagt, der Energiebedarf in Deutschland ist extrem hoch. Doch woher soll diese Energie stammen, wenn der Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft vollzogen ist? Regierung, Wirtschaft und Energiesektor legen hier einen klaren Fokus auf erneuerbare Energien.
Nur wie ist hier eigentlich der Status quo? Welche Mengen des Energiebedarfs können erneuerbare Energien decken? Und wie sieht die Rolle von Biogas in diesem Zusammenhang aus?
Antworten auf diese und weitere Fragen sowie einen Überblick zum Thema „Erneuerbare Energie“ gibt Ihnen dieser Beitrag.
Erneuerbare Energien in Deutschland – das sind die aktuellen Zahlen
Eins vorab: In Sachen erneuerbare Energien gibt es in der Bundesrepublik noch einiges an Luft nach oben. Denn im EU-weiten Vergleich findet sich Deutschland (noch) unter dem Durchschnitt wieder. Mit 19,2 Prozent ist der Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Energiemix nämlich noch ausbaufähig. Andere Länder stehen hier bereits deutlich besser da und machen vor, wie sich Energie aus Wind, Sonne und Biomasse optimal zur Deckung des landesweiten Energiebedarfs einsetzen lassen.
Mit gutem Beispiel voran gehen dabei die nordischen Länder wie Schweden, Dänemark oder Finnland. Schon im Jahr 2019 konnte Schweden mehr als die Hälfte seines Bruttoendenergieverbrauchs (56,4 Prozent) durch erneuerbare Energien decken. Damit ist das Land in der ganzen Europäischen Union Spitzenreiter – dicht gefolgt von Finnland mit 43,1 Prozent und Lettland mit 41 Prozent. Und auch Dänemark geht in Sachen erneuerbare Energien mit gutem Beispiel voran. Hier sind 37,2 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs durch umweltfreundliche und klimaschonende Energieträger gedeckt.
Diese Zahlen zeigen deutlich: Im internationalen Vergleich ist Deutschland eines der Länder, die erneuerbare Energien und deren Potenzial zur Deckung des Bruttoendenergieverbrauchs längst noch nicht voll ausschöpfen.
Wind, Sonne und Biogas – diese Energieträger kommen in Deutschland zum Einsatz
Was auf der einen Seite ausbaufähig ist, erweist sich auf der anderen Seite jedoch auch als positiver Schritt in die richtige Richtung. Denn unter der EU-Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien (2009/28/EC) hatte Deutschland ein festes Ziel definiert: 18 Prozent der benötigten Energie sollte bis zum Jahr 2020 aus erneuerbaren Energieträgern stammen. Mit den erreichten 19,2 Prozent ist das geglückt. Das zeigt: Erneuerbare Energien spielen eine zunehmend wichtigere Rolle.
Doch wie setzt sich dieser Mix der erneuerbaren Energien zusammen? Etwa 600 Terrawattstunden (TWh) Strom verbrauchen die Deutschen pro Jahr, das wissen Sie bereits. Gut 470 Milliarden Kilowattstunden davon stammten 2020 aus erneuerbaren Energieträgern. Etwa 53 Prozent davon entfielen auf den Stromsektor, 39 Prozent auf den Wärmesektor sowie 8 Prozent auf biogene Kraftstoffe für den Verkehrssektor. Besonders stark vertreten sind erneuerbare Energien damit im Bereich der Stromerzeugung. Neben Solarkraft (48,6 Mrd. kWh produzierter Strom in 2020) und Windenergie (132,1 Mrd. kWh produzierter Strom in 2020) spielt hier vor allem die Energiegewinnung aus Biomasse eine ganz besonders wichtige Rolle. So wurden im vergangenen Jahr rund 50,9 Milliarden kWh Strom aus Biomasse bereitgestellt. Doch was macht diese Art Energieträger so beliebt?
Energie aus Biomasse – das sind die großen Vorteile
Ganz einfach gesagt, ist es ihre Vielfalt, die die Energiegewinnung aus Biomasse und auch aus biogenem Abfall besonders interessant macht. Denn ganz gleich, um welchen Sektor es geht, ist Biomasse ein extrem guter Energielieferant. Sei es in Form von Biokraftstoffen für den Verkehrssektor, als feste Brennstoffe zum Heizen oder als Biogas zur Stromerzeugung – Biomasse hat in Sachen erneuerbare Energien große Potenziale. Vor allem Biogas kann in sämtlichen Sektoren ordentlich punkten.
Der Grund sind die vielfältigen Ausgangsmaterialien, mit denen sich Biogas gewinnen lässt. Denn dieses entsteht bei der natürlichen Zersetzung von organischem Material unter Luftabschluss. So bildet sich Biogas als energiereiches Gasgemisch, was sich zu Strom, Wärme oder Treibstoff umwandeln lässt. Grundlage zur Produktion von Biogas können dabei sämtliche organische Materialien sein. Ob Gülle, Klärschlamm oder Bioabfälle, tierische Abfälle, Zwischenfrüchte oder Energiepflanzen – sie alle eignen sich zur Herstellung des CO2-neutralen Energieträgers.
Biogas – das sind die aktuellen Herausforderungen und Chancen
Doch es gibt auch eine Kehrseite. In der Vergangenheit haben viele Anlagenbetreiber auf erneuerbare Energien in Form von Energiepflanzen wie Mais oder Raps zur Herstellung von Biogas gesetzt. Doch das benötigt eine Menge Platz für den Anbau, konkurriert deswegen mit dem Anbau von Tierfutter- und Nahrungsmitteln und bedroht durch seine Monokulturen die Artenvielfalt. Deswegen hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 einen sogenannten Maisdeckel eingeführt. Damit dürfen nur noch maximal 40 Prozent Mais in Biogasanlagen vergärt werden.
Was nach einer großen Herausforderung aussieht, ist tatsächlich jedoch eine große Chance. Denn die Vorgaben des EEG 2021 ebnen den Weg für eine extrem vielversprechende Art der Energiegewinnung aus verschiedensten „Abfällen“. So lassen sich zum Beispiel auch Gülle, Bioabfälle, Grünschnitt oder andere „Restprodukte“ wie Klärschlamm oder Deponieabfälle optimal zur Herstellung von Biogas nutzen. Damit bekommt der Bereich erneuerbare Energien eine weitere, völlig neue Facette – die die Energiewende deutlich beschleunigen und Klima- sowie Umweltschutz vorantreiben kann.
Erneuerbare Energien stärken mit KWK, Flexibilisierung und Co.
Besonders profitabel ist eine Biogasanlage dann, wenn ihr BHKW nicht nur Strom, sondern auch Wärme produziert. Dann spricht man vom Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – einer Art der Energieerzeugung, bei der sich extrem hohe Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erreichen lassen. Die parallel zur Stromerzeugung produzierte Wärme kann dabei zum Beispiel für die Beheizung und Warmwasserbereitung zum Einsatz kommen. Das macht die Energiegewinnung aus Biomasse gleich doppelt attraktiv.
Darüber hinaus können erneuerbare Energien auch durch die Flexibilisierung von Biogasanlagen profitieren. Denn dank des EEG 2021 gibt es einen Flexibilitätszuschlag, der Anlagen fördert, die eine bedarfsorientierte Stromeinspeisung gewährleisten können. Gerade dann, wenn es an Wind- und Sonnenenergie mangelt, sind Biogasanlagen perfekt geeignet, um Schwankungen im Stromnetz verlässlich auszugleichen.
Erneuerbare Energien und Biogas – quo vadis?
Stand 2021 zeigt sich deutlich, dass erneuerbare Energien und die Rolle von Biogas definitiv ausbaufähig sind. Hier liegt es an Politik und Gesetzgebern, die Energiegewinnung aus Biomasse noch attraktiver zu machen. Entsprechende Förderungen, Boni und Vergütungen für Anlagenbetreiber, die auf eine Verwertung von „Abfallprodukten“ setzen (könnten), brauchen dringend mehr Anreize. Dass das keine Zukunftsmusik bleibt, zeigt sich jedoch spätestens mit dem Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Denn die möchte den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch in der EU bis 2030 auf 40 Prozent erhöhen und zudem bis 2050 klimaneutral werden. Für die Biogasbranche ist das ein wichtiger und richtiger Schritt.